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Indianische Töpferkunst

Indianische Töpferkunst, Ton des Lebens

In einem Wald züngeln die Flammen an den irdenen Töpfen hoch, Russ überzieht die Gefässe und Schalen. Die Temperatur im Feuer steigt bis auf 800°C an. Die 60 Minuten des Brennens - so lange dauert der Brennprozess - ist eine spannende Phase, die auch die Qualität der Arbeit sichtbar werden lässt: Sind auch keine Luftblasen in den Gefässen eingeschlossen? Welche Feuerwolken (fire clouds) wird das Feuer auf dem Ton hinterlassen? 

Formen, im speziellen Fall mit diesem natürlichen von Hand gewonnenem Ton, weckt die Freude am Gestalten, fördert das Feingefühl und die innere Harmonie. Seit Generationen fertigen die Indianer diese Töpfe zum Kochen an. "Manche Menschen halten nicht viel von Töpferei," sagt eine indianische Töpferin, "aber mir bedeutet sie sehr viel. Sie ist etwas Heiliges." 

Die Gefässe, Töpfe und Schüsseln werden nach ursprünglicher indianischer Art und Weise, ohne Drehscheibe, ohne Glasur hergestellt. Ein Hilfsmittel ist erlaubt: Teller oder Schalen. Darauf wird eine Tortilla (flacher Boden aus Ton) gelegt, bevor mit der "Würstchentechnik" die individuellen Gefässe entstehen. 

Die indianische Töpferei ist ein reicher Fundus an Weisheiten. Die Indianer bearbeiten den Ton nicht, sie lassen sich von ihm leiten. "Fühle und höre, was der Ton sagen will, in welche Form er gebracht werden will." Geschehen und sich vom Ton leiten lassen, erfordert Vertrauen in sich und das Material. Dadurch wechseln sich die Hingabe, die Freude und der Ernst des Lebens während dem Formungsprozess ab und jedes Gefäss wird zum eigenen "Kind". 

Dem Formungsprozess folgt die Verfeinerung der Oberfläche (Schaben) mit Sandstein und Sandpapier. In weiteren Arbeitsschritten wird flüssiger Ton mit einem Schwamm auf die Formen aufgetragen, einmassiert und die Oberfläche mit einem geschliffenen Flussstein poliert. 

Nach all diesen intensiven Prozessen überzieht ein gold-rötlich-silberner Glanz die irdenen Gefässe. Die nun brennbereiten Gefässe spiegeln sich in der Sonne. Sie sind ein Teil, - die Indianer sagen - ein Kind von uns geworden, uns ans Herz gewachsen. Das Brennen im Tipi-Feuer (ist nicht vergleichbar mit den uns in Europa bekannten Brennmethoden) ist die Geburtsstunde der Gefässe und Schalen. 

Nach dem Brennprozess lassen sich Zeichnungen - solange die Temperatur hoch genug ist - mit Pferdehaaren und Federn in die Oberfläche einbrennen. Jedes Gefäss und jede Schale erhält so seine natürliche, endgültige und unverwechselbare Charakteristik. Das "Kind" ist nun geboren, strahlt in der Sonne und erfreut den Schöpfer, die Schöpferin, wie die Betrachtenden.

Das Feuer ist unser Helfer.

Das Feuer ist unser Helfer.

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Geschichtliches

Töpfern im Südwesten Nordamerikas war die Kunst der Pueblo-Frauen, heute sind beide Geschlechter vertreten.

Die Töpferei der Anasazi ist die antike Quelle, aus der sich auch die moderne indigene Keramikkunst speist. Anasazi-Keramik wurde um 500 n. Chr. erstmals in grösseren Mengen produziert. Jedoch zwischen 700 n. Chr. und 1100 n. Chr., in einer Periode drastischen Bevölkerungszuwachses, entwickelten sich mannigfaltige, regionale Stile

Die Frauen stellten Töpfe, Schalen, Krüge und sogar Tassen für den Haushalt her. Aber auch besondere Gefässe für rituelle Zwecke, wie Schüsseln für geweihten Maispuder wurden gefertigt.

Vor rund hundert Jahren war diese Kunst des Töpfern in den Pueblos beinahe ausgestorben. Dies eine Folge des anspruchslosen touristischen Andenkenmarkts, denn dort verkaufte sich ein billiger Kerzenständer besser als eine teure, gut ausgeführte Schale mit einem traditionellen Motiv. 

Erst als Pueblo-Leute, als Helfer bei ärchäologischen Ausgrabungen auf die Keramik ihrer Ahnen stiessen, erwachte das Interesse ihrer Frauen für die alten Techniken wieder und dies wurde von Museen und ernsthaften Sammlern gefördert.

In der Technik der Herstellung von Gefässen haben sich bis heute kaum Neuerungen durchgesetzt. So werden heute noch weder Töpferscheibe,  noch Glasur oder Brennöfen verwendet.

Infolge ihrer Ausstrahlung, ihrer Energieintensität und ihrer ursprünglichen Schönheit werden die Gefässe aus dem Indianischen-Ton besonders gern zum Kochen verwendet. Dabei verbindet sich der Spirit mit der Materie.

Bereit zum Kochen

Bereit zum Kochen

Bereit zum Polieren

Bereit zum Polieren

Geformt

Geformt

Das Heilende und die energetische Wirkung dieses Tones

Dieser natürliche und geschmeidige Ton ist für mich etwas Heiliges. Wer mit ihm ein Gefäss formt wird bald selber feststellen, dass es dabei um mehr als um das Töpfern oder formen geht. Prozesse werden durch die Energien die dieser Ton in sich hat in Gang gesetzt. Die Begründung dazu ist relativ
schwierig zu beschreiben, eine ist bestimmt die, dass dieser Ton von einem Kraftort stammt und andererseits die schonende, nicht extensive Gewinnung.

Dieser Ton wird von Hand abgetragen, gewaschen und von Ästen, Steinen gereinigt, mehrmals von Hand durchgeknetet und in der Sonne getrocknet, bis er zur Bildung eines Gefässes oder einer Schale verwendet werden kann. So bleibt die Ursprünglichkeit der Zusammensetzung dieses Tones erhalten.

Seine speziellen Eigenschaften führen dazu, dass dieser Ton auch therapeutisch eingesetzt werden kann. Seine starken wohltuenden Energien tragen, bei entsprechender Anwendung, zur Auflösung von Energiestauungen und Blockaden im Körper und im Energiefeld bei. Die Herstellung eines Gefässes trägt zur
Realitätsfindung/Erdung sowie Zentrierung seiner selbst bei. 

Bei den Navaho-Indianern gibt es folgendes Gebet:

Möge ich mit Schönheit vor mir gehen,
Möge ich mit Schönheit hinter mir gehen,
Möge ich mit Schönheit über mir gehen,
Möge ich mit Schönheit unter mir gehen,
Möge ich mit Schönheit ringsum gehen,
wenn ich den Weg der Schönheit gehe.


Das Nährende<br />
Sehen und Wissen ist schöpfen aus seiner Tiefe

Das Nährende
Sehen und Wissen ist schöpfen aus seiner Tiefe

Perspektiven

Perspektiven

Die Wirkung der Arbeit mit dem Ton des Lebens

Die Indianische Töpferkunst betrachte ich als eine Möglichkeit, sich als das zu erkennen, was man von Natur aus ist, im Gegensatz zu dem, was man sein möchte. Es ist ein In-den-eigenen-Spiegel-Schauen, ein Sich-Entdecken, bei dem neue Wege erkundet und Altes hinter sich gelassen werden kann.

Diese Töpferkunst spiegelt während der Gestaltung und der Formgebung auch die momentane Befindlichkeit und die momentanen Verhaltensmuster. Als Beispiele seien genannt: Sicherheit - Unsicherheit; extrovertiert - introvertiert;
harmonisch - disharmonisch; arbeiten nach Normen oder nach Vorgaben; festhalten wollen - verändern wollen; Wunsch oder Mut zum Risiko; Unterschied zwischen Wollen und Tun oder Wollen und Geschehen lassen.*) *) Literatur zum Selbst und dem Individuationsprozess: Jacobi Jolande (1994). Die Psychologie von C. G. Jung.

In Amerika habe ich einen mit Mustern versehenen Topf geformt, den ich den "Standpunkt-Topf" nenne. Diesen Namen hat er erhalten, weil je nach Blickwinkel und Standort des Betrachters gleiche oder andere Aussagen möglich sind.

Dieser Topf zeigt mir Gegenpole auf wie: Mann - Frau, Mond - Sonne, nach innen gewölbt - nach aussen gewölbt, Hell - Dunkel und Himmel - Erde. Das Eine bedingt das Andere und der gemeinsame Blick verbindet uns nicht nur mit der Person, die reagiert, sondern stärkt zugleich unseren Selbstwert, fördert
die Wahrnehmung und die Toleranz zu den Mitmenschen.

Dies kann ebensogut in die Therapie übertragen werden. Kohut (1979) z. B. stellt die Spiegelbildtheorie an die Spitze seiner Forderungen für die Entwicklung eines gesunden Selbst. Ein "spiegelbildender" Anderer bestätigt uns in unserem Wesen, akzeptiert die Gefühle und Wahrnehmungen, die uns entströmen, als das, was sie sind. Quelle: Ruthellen (1999, S. 121)

Die Teile unseres Selbst, die keine entsprechende Spiegelbildlichkeit haben, sind vom Gesamtbild der Persönlichkeit abgespalten. Wir betrachten diese Teile als geheim oder intim, oder wir unterdrücken sie ganz und gar.

Die Arbeit mit diesem Ton ist eine Möglichkeit, die verborgenen Teile in uns zu aktivieren und so mit sich und der Welt "in Einklang" zu gelangen. Werden wir missverstanden oder verunsichert, dann unterstützt diese Art von Kunsthandwerk, das Gleichgewicht wieder herzustellen. Der Topf wird zum Spiegel von uns selbst, der uns in seiner Schönheit bestätigt und uns
zugleich herausfordert.

Vertrauen zur Grösse<br />
Im Herzen ersehnen <br />
in der Welt manifestieren

Vertrauen zur Grösse
Im Herzen ersehnen
in der Welt manifestieren

Die Begrüssung<br />
In der Begegnung kommen sich <br />
Himmel und Erde näher

Die Begrüssung
In der Begegnung kommen sich
Himmel und Erde näher

Liebe und Glück

Ein Lastwagen mit indianischem Ton hält vor deiner Türe. „Der ist für dich! Mach was daraus!“ So lautete die Aufforderung, als dies wirklich geschah.

Die Begegnung mit einem indianischen Töpfer und Medizin­mann wirkt sich in deinem Leben aus, wie der Besuch des Fahrers beim kleinen Jungen im Lied:“ Ruf Teddybär eins-vier.“ Du wirst ein- geladen einzusteigen, ohne zu wissen, wohin die Fahrt geht.

Zwei Monate nach der Begegnung stehst du, mit einem Rucksack beladen, im Flughafen von Albu­querque, New Mexico, USA. Keine Adresse, kein Telefon, jedoch mit der Zusage des Indianers: „Ich werde da sein.“ Und wirklich, am Ende der Gangway wirst du erwartet

Du und niemand anderes. In diesem Augen­blick wird dein Herz und dein ganzes Wesen berührt von einer bekannten Kraft. Wir nennen sie Vertrauen, Liebe oder Fügung. Der Indianer erwartet dich lächelnd und seine Erscheinung ist faszinierend. Das markante braune Gesicht mit den leuchtenden Augen, seine langen schwarzen Zöpfe, sein farbiges Hemd.

Du bist da, ein Heimat- und Geborgenheitsgefühl stellt sich ein und dazu die Farben gold-rot-grün der Gegend, der Berge und die leuchtende Sonne, die Wärme über allem. Eine gute Zeit für große Erwartungen.

Sei aufmerksam und lebe im Moment

„Medizinmann zu sein kann ich dich nicht lehren, dies wird geschenkt. Lerne einfach im Moment zu leben, dies ist alles.“ Mit diesen Worten beginnt die Zeit der Realität, eine Zeit, in der die Wünsche nach Anerkennung und geliebt zu sein dir nicht gegeben werden.

Was machst du in einer einsamen Berggegend, in der ca. 50 Autos im Tag vorbeifahren und der Tag vom Sonnenstand bestimmt wird? Sich nützlich machen ist die logische Folge. Irrtum: „Mach was dir gefällt, du brauchst nichts zu machen. Sei einfach da und genieße es. Genieße das Leben und sei aufmerksam.“

Was ist genießen? Die Tage waren bis zu jenem Tag von der Arbeit, der Uhr und von verschiedenen Aktivi­täten gefüllt und bestimmt. Und nun fallen die Reize weg. Für dich wird ein wunderbares Essen zubereitet, du kannst dich hinsetzen und wieder gehen. Du hast keine Verpflich­tungen, nichts – außer dir selbst – und der Natur: Tag für Tag, Woche für Woche, eine schwierige Zeit. Du wirst als indianischer Bruder angesehen und gleichzeitig: keine Anerkennung, kein Lob, keine Ab­lenkung und wenn du träumst folgt eine harsche Zurechtweisung: „Du bist nicht hier, dein Geist ist in Europa!“

Daraufhin folgen Tage des Nicht-beachtet-Werdens und du verstehst nichts. Dein Geist, deine Erfahrungen beruhen auf erklären, nachvollziehen, verstehen. Eine tiefe Traurigkeit, Frustration und Einsam­keit stellt sich ein. Da wirst du eingeladen und dann allein gelassen.

Ursprünglich und simpel

Die Gefässe, Töpfe und Schüsseln werden nach ursprünglicher indianischer Art und Weise, ohne Drehscheibe, ohne Glasur hergestellt. Ein Hilfsmittel ist erlaubt: Teller oder Schalen. Darauf wird eine Tortilla (flacher Boden aus Ton) gelegt, bevor mit der „Würstchentechnik“ die individuellen Gefässe entstehen. Die indianische Töpferei ist ein reicher Fundus an Weisheiten. 

Die Indianer bearbeiten den Ton nicht, sie lassen sich von ihm leiten. „Fühle und höre, was der Ton sagen will, in welche Form er gebracht werden will."

Ton des Lebens

In den Worten der Hopi-Töpferin Polingayisi Qoyawayma (Ko-YAH....wy-mah) klingt dies so: „Ob ich gebetet habe, wenn ich Töpfe geformt habe? Aber gewiss. Der Ton ist nämlich ein lebendiges Wesen, wenn man ihn in die Hand nimmt. Schau ihn dir an. Ein Klumpen, der zu mir sagt: Mach mich, wie ich bin ...... mache mich schön. So besprechen wir jeden Schritt, der Ton und ich.“

Auf diese Weise entsteht ein Klang, aus dem Ton und dir. Sich vom Ton berühren lassen führt zu Stärke, Hingabe und Weisheit. Da wird es auf einmal leicht die Selbstver­antwortung für das eigene Handeln, die Gedanken, die Empfindungen und die Bedürfnisse zu übernehmen. Dies führt zu einer tiefen und wahr­haften Ehrlichkeit und zu einem Licht für die eigenen dunklen Seiten und die zutiefst verborgenen Schätze.

Im Formen eines Gefäßes mit diesem Ton eröffnen sich auf natürliche und selbstverständliche Weise Wege zur eigenen Stärke, indem Verstand und Gefühl mit­einander in Einklang kommen. Dies bewirkt die Freisetzung von Energie für den Wandel und die Heilung von Blockierungen, Vorurteilen und Trau­rigkeit. Und in den Alltag halten Zuversicht, Lebendigkeit, Freude, Liebe und Glück Einzug.

Mach mich, wie ich bin ...... mache mich schön

Mach mich, wie ich bin ...... mache mich schön

Ein Klang

Ein Klang

In Stärke geboren

In Stärke geboren